Natalies Diary
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Virtue Signalling

Wir tun es alle. Ich kenne keinen Menschen, der es nicht tut. Ich tue es. Du tust es. Ganz besonders in den sozialen Medien. Und obwohl es menschlich ist, finde ich es entsetzlich!

Es gibt einen englischen Begriff, der seit den 2000ern kursiert und in abfälliger Weise für die Zurschaustellung eines moralisch vorbildlichen Verhaltens verwendet wird: Virtue signalling. Eine wirkliche deutsche Übersetzung gibt es nicht. Manchmal wird es als Tugendprotzerei oder Tugendprahlerei übersetzt. Im Grunde geht es darum, dass man nach Aussen eine „moralische Korrektheit der eigenen Position zu einem bestimmten Thema demonstriert“.

Die NZZ sagt: „Nicht tugendhaft sein, sondern tugendhaft scheinen“.  Es geht also vor allem um das SCHEINEN, und nicht wirklich darum, dass man diese Tugendhaftigkeit auch selbst praktiziert. Oder es geht um die Rechtfertigung der eigenen Person. Man will als jemand gelten, der einfach „auf der richtigen Seite“ steht. Man möchte offiziell zu den „Guten“ gehören und sich von den „Schlechten“ distanzieren.

Mir fällt da spontan der Begriff „nachhaltig“ ein, mit dem sich inzwischen selbst die unnachhaltigsten Firmen schmücken, um ihre Kundschaft zu behalten. 

Was ist eigentlich „Tugend“? Das Wort ist ja schon fast antiquiert und wird nur noch selten in unserer Sprache verwendet. Wo der Begriff herkommt und pi pa po kann man gerne ausführlich HIER nachlesen. Mit den Worten von Wikipedia zusammengefasst „bezeichnet (es) in der Ethik eine als wichtig und erstrebenswert geltende Charaktereigenschaft, die eine Person befähigt, das sittlich Gute zu verwirklichen.“ 

Je nachdem, welche Weltanschauung man bevorzugt, schliessen die diversen Tugendkataloge unterschiedliches Verhalten ein, z.B. Tapferkeit, Mässigung, Gerechtigkeit, Geduld, Fleiss, Reinlichkeit, Pünktlichkeit, Wahrheit etc.

Ich glaube wir zeigen alle gerne, dass wir zu den „Guten“ gehören (wollen). In den sozialen Medien bedienen wir uns Hashtags und posten in den Stories unsere “guten” Aktivitäten und Weltanschauungen. Im Alltag signalisieren wir durch Kleidung, Frisur, Verhalten oder durch unsere sprachliche Ausdrucksweise, dass wir eine bestimmte Position oder bestimmte Tugenden vertreten. Wir tun es alle, bestimmt auch oft aus edlen Motiven und nicht nur, weil wir lediglich gut aussehen wollen.

Virtue signalling und Schwarz-Weiss-Denken

Warum ich es trotzdem so schrecklich finde? Weil der Übergang zum Schwarz-Weiss-Denken und damit zum Extremismus schleichend ist und die Heuchelei nicht weit. Heute bin ich noch gegen die Diskriminierung von Andersdenkenden. Und morgen schon diskriminiere ich selbst die, die anders denken als ich. Heute noch demonstriere ich gegen Rechtsradikale und ihre aggressive Art. Morgen rufe ich selbst zur Gewalt gegen Menschen auf, die meiner Meinung nach rechtsradikal sind. Plötzlich gibt es eine Menschengruppe, bei der es legitim ist, Gewaltphantasien auszuleben, denn wenn einer ein „Nazi-Schwein ist, hat er alle menschlichen Rechte verspielt“. 

Virtue signalling will sagen: „Seht her, ich gehöre zu den Guten! Ich habe die richtige Einstellung und ehrliche Ziele! Ihr nicht.“

Menschen in Kategorien „gut“ und „schlecht“, Verhalten in „richtig“ und „falsch“ einzuordnen, ohne etwas dazwischen zuzulassen, und das Konstruieren von Freund-Feind-Bildern sind übrigens ziemlich deutliche Zeichen für Extremismus. Wenn wir das nicht verstehen, haben wir nichts verstanden.

Mehr Lesen:

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Moralapostel und ihre Überheblichkeit

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