Natalies Diary
Natalie Barth Diary
Frauenthemen

Die Frau, die ich bin – Oder wie sollte sie denn sein?

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Was bedeutet das denn, dieses Frau – sein? Und kann das überhaupt jemand von aussen definieren, wie ich mich als Frau zu fühlen habe, welche Rolle ich spielen sollte, wie ich ticke?

Als ich noch in der Sekte war, war eigentlich alles sehr klar definiert: Ich als Frau stehe unter dem Mann. Der Mann trägt die Verantwortung für die grossen Entscheidungen des Lebens, ganz besonders aber ist er der Versorger der Familie und die Frau ist seine Stütze. Grundsätzlich (und ganz besonders in der Religionsausübung) standen mir weniger «Vorrechte» zu als dem Mann.

Ausserdem war ich als Frau auf eine gewisse Art und Weise verflucht (wegen dem Sündenfall im Garten Eden) und hatte deshalb mit der lästigen monatlichen Menstruation und gegebenenfalls schmerzhaftem Gebären von Kindern zu kämpfen.

Ein Mann hatte offensichtlich grössere sexuelle Bedürfnisse als ich, als Frau. Allein deshalb durfte ich die ganze Männerwelt schon mal grundsätzlich nicht zu sehr reizen, denn sie hätten dann kaum eine Kontrolle über sich und ihren Körper. Aus diesem Grund war grösstenteils «Verhüllen» angesagt. Zumindest sollte man nicht Zuviel davon ahnen, dass es sich bei mir möglicherweise – rein körperlich gesehen – um eine Frau handelte.

Wie schön, eine Frau zu sein – oder nicht?

Wow! Was für ein grandioses Los ich doch als Frau gezogen hatte. Ich hatte oftmals das Gefühl, dass ich stattdessen eher die «Arschkarte» zog und der Mann es doch wesentlich besser hatte in seinem Leben. Da ich mich als Frau selbst nicht so richtig leiden konnte und mich ständig in Frage zog, war mir die Gesellschaft von Männern irgendwie etwas angenehmer. Denn sie wirkten so herrlich unkompliziert, wenig zickenhaft und ich konnte eine Menge von ihrem Selbstbewusstsein lernen. 

Frauen waren für mich oftmals einfach nur Konkurrenz,  zu langweilig oder irgendwie uneinschätzbar und kompliziert. Kein Wunder, ich verstand ja nicht mal die Frau, die ich SELBST war.

Inzwischen habe ich mich mit vielen neuen Ideen, Konzepten, Theorien über und von Frauen beschäftigt. Ich wollte den Zusammenhang zwischen den biologischen/körperlichen Merkmalen, die ich als Frau hatte, und der psychischen Komponente verstehen.

Was macht mich als Frau denn aus?

Was macht zum Beispiel der Hormoncocktail mit mir und meiner Psyche, der bei mir ganz anders zusammengesetzt ist als der eines Mannes? Warum hatte ich oft solche Schmerzen vor und bei der Menstruation und war das wirklich etwas, das ich einfach akzeptieren musste? Wie sah ich mich selbst als Frau mit meinem weiblichen Körper inklusive meiner Vulva, meiner Vagina und meinen Brüsten? Welche Rollen und Klischees waren bei mir unbewusst vorhanden, die mir aber vielleicht mein Leben gerade besonders erschwerten? Wie stand ich zu meiner eigenen Sexualität?

Diese Reise war eine sehr spannende und ist es noch. Ich habe viel über meinen weiblichen Körper erfahren, was mir nie jemand zuvor erzählt hatte.

Ich lernte das, was mich als Frau ausmachte nicht zu verleugnen, zu verhüllen oder zu verfluchen sondern, im Gegenteil, wirklich zu schätzen.

Die anderen Frauen

Dann begann ich mich auch WIRKLICH mit anderen Frauen auseinanderzusetzen, sie mit anderen Augen zu sehen (klar, ich sah inzwischen ja auch mich selbst mit anderen Augen). So veranstaltete ich monatliche «Women’s Circles» und später auch Workshops, in denen Frauen sich auf ganz andere Art und Weise austauschten. Anders zumindest als es bei irgendwelchen «Kaffekränzchen» oder «Frauenabenden» ablief (die ich übrigens immer als etwas sehr langweiliges und energieraubendes empfunden hatte). Ich begann mich auf Frauen und ihre Wünsche und Probleme zu fokussieren. Seitdem biete ich in meiner Praxis sowohl Coachings als auch Therapien speziell für meine Mitgenossinnen an.

Wie muss eine Frau sein?

Bei all dem muss ich allerdings auch eines eingestehen: Ich machte manches Mal den Fehler mit meinem neuen Wissen wieder etwas zu dogmatisch umzugehen und alle über einen Kamm zu scheren. Weil ich “Wissen” mit “Weisheit letzter Schluss” gleichsetzte. Ich bemerkte im Lauf der Zeit, dass einiges von dem, was ich für einleuchtend empfunden hatte, für mich passend und umsetzbar war, anderes wiederum nicht. Und dass ich nicht und niemals sagen kann: So müsste eine Frau wirklich sein. Oder auch: So müsste ein Mann wirklich sein, wenn er gemäss seiner Natur leben wollte. – auch wenn mir das gewisse «Halb-Gurus» immer wieder weissmachen wollten.

Ich glaube, dass uns eine Haltung, die nur eine einzige Sache als «Wahrheit» propagiert, in jedem Fall misstrauische machen sollte. Es ist immer unsere ganz eigene, alleinige Aufgabe, herauszufinden, was uns gut tut, was uns begeistert. Oder auch wo wir Energie tanken, was uns Energie kostet, welche Lebensweise uns gefällt und welche Identität wir uns selbst geben wollen.

Was ich aber für äusserst wertvoll erachte: Sich mit verschiedensten Ideen und Lebenskonzepten auseinandersetzen. Denn das erlaubt mir, auch mal über meinen eigenen Tellerrand hinauszusehen. Und zu hinterfragen, ob das Bild das ich von mir habe, die Rolle, die ich als Frau spiele, wirklich das ist, was ich selbst will oder das, was mir von Aussen aufgedrückt wurde. 

Wir müssen die Männer mit ins Boot holen

Ich mag es inzwischen nicht mehr, mich ausschliesslich auf Frauen zu konzentrieren. Es gab eine Zeit, da war das für mich extrem wichtig, denn ich kannt mich selbst nicht und ich musste lernen mich zu verstehen. Wie sollte das besser gehen, als nur unter Frauen?

Wir müssen die Männer mit ins Boot holen und gemeinsam, als MENSCHEN, herausfinden, wie wir leben wollen, wie wir MITEINANDER umgehen wollen, was uns gut tut und dazu gegenseitiges Verständnis aufbringen. Mann ist ausserdem nicht gleich Mann. Und Frau ist nicht gleich Frau.

Was mir am Frau – sein gefällt

Was mir heute so an meinem Frausein gefällt? Alles. Ich liebe es, Frau zu sein. Und ich mag meine Stärken, ich mag (zumindest meistens) meine Abgründe, die manchmal sogar für mich selbst sehr bedrohlich wirken können.

Ich mag meinen Körper – ob ein paar Kilo mehr oder weniger auf der Waage sind oder nicht. Ja, ich mag meine Weiblichkeit. Ich mag meine Sexualität und Sinnlichkeit und schäme mich dessen nicht mehr (so wie früher in der Sekte). Mal mag ich es meinen Körper in weiblich anmutende, körperbetonende Kleider zu stecken. Und mal mag ich das burschikose Jeans-T-Shirt-Ding lieber. Mal bin ich sogar heute noch das «kleine Mädchen», manchmal eine taffe Frau und manchmal richtig männlich dominant. Aber ich BIN all das. All das, was wir als «männlich» oder «weiblich» definieren, trage ich in mir und es kommt ganz auf die Situation an, ob ich gerade mehr das eine oder das andere bin und auslebe. 

Und, ganz wichtig, ich will nicht mehr urteilen bzw. verurteilen. Weder mich noch andere. Es gelingt mir manchmal und manchmal nicht.

Was ich ganz sicher weiss: Ich weiss heute mehr über mich als Frau, als ich es jemals wusste in all den Jahrzehnten, in denen ich eine gewisse Frauen-Rolle spielen musste, die nicht meine war. 

Denn den «stillen und sanften Geist» (Bibel: 1. Petrus 3 Vers 4), den die optimale Frau der Bibel und der Zeugen Jehovas hat, den hatte ich niemals.

Die Frau, die ich bin (oder nicht) als Audiodatei…
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