Natalies Diary
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Die Lust am eigenen Körper – oder der Frust?

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Wie ist das bei Dir mit der Lust am eigenen Körper? Heute möchte ich gezielt über und zu uns Frauen sprechen. Denn ich glaube, da gibt es riesige Unterschiede in der Betrachtung des Körpers an sich und im Umgang mit der Lust im sexuellen Sinne.

Ich dachte einmal, dass es doch für Frauen, die ohne diese starren Regeln und das ganze Schuld- und Schamkonzept einer christlichen Sekte aufwuchsen, bestimmt einfacher sein musste, den eigenen Körper so richtig zu geniessen. 

Aber auch wenn man nicht in einem streng religiösen Sektenumfeld aufwuchs, in dem Sex mit anderen ohne verheiratet zu sein und Solo-Sex (Selbstbefriedigung) verboten sind, handelt es sich immernoch gesellschaftlich um eine Art Tabu-Thema. Kaum zu glauben bei der ganzen sexualisierten Werbung und dem Unterhaltungsprogramm, das wir in unserer Zeit und Kultur serviert bekommen.

Ich sprach mit vielen Frauen in den letzten Jahren. Wie ich empfand, konnten einige, die nicht in einer Sekte aufwuchsen, trotzdem nachempfinden. Zum Beispiel die folgenden Gefühle: Viele Jahre lang konnte und wollte ich mein weibliches Geschlecht, meine Vulva, nicht ansehen. Ich empfand Scham und meine Schamlippen sowie alles andere, das ich nur mit «da unten» bezeichnete, hässlich. Und genau so ging es und geht es auch anderen Frauen. “Vulva-Shaming” ist sogar ein extra dafür geprägter Begriff. Da ticken die Herren der Schöpfung dann doch ein wenig anders – ob Sektenmitglied oder nicht. Ich habe hier noch was interessantes zu diesem Thema gefunden: VULVA SHAMING: WER IST HIER BITTE HÄSSLICH?

Lust ist Missbrauch des eigenen Körpers?

Mir persönlich wurde von klein auf beigebracht, dass Masturbation einem Missbrauch des eignen Körpers gleichkommt. What the f….?!? Ja, Du hast richtig gelesen. Ich wuchs mit folgenden Aussagen zu diesem Thema auf:

«Weil es sich um eine „widernatürliche“ Gewohnheit handelt, muß der Masturbierende in seelischer Hinsicht büßen. Die gewohnheitsmäßige Selbstbefriedigung lähmt seine gesellschaftliche Entfaltung und die Entwicklung seines Gefühlslebens… sie kann — und häufig ist das der Fall — zur Homosexualität führen, so daß der Betreffende, der nicht damit zufrieden ist, sich allein sexuell zu betätigen, zur gegenseitigen sexuellen Befriedigung einen Partner sucht… Wie die Tatsachen zeigen, ist es nichts Ungewöhnliches, daß der Masturbierende seine Gewohnheit in der Ehe fortsetzt, so lange, bis er sich gezwungen sieht, die Hilfe eines Psychiaters in Anspruch zu nehmen… Die Tatsache, daß anormale, geistesgestörte Menschen in der Regel masturbieren, zeigt ebenfalls, daß die Masturbation etwas Abnormes und Widernatürliches ist.»

Jetzt kommen dann noch die ultimativen Ratschläge, wie man diese äusserts ekelhafte, verabscheungswürdigen Missbrauch seines eigenen Körpers vermeiden kann:

«Halte dich beschäftigt, indem du körperlich wie geistig angestrengt arbeitest… Sei kein „Einzelgänger“, indem du dich absonderst. Sorge daher dafür, daß du nachts ein Schlafzimmer mit anderen Gliedern der Familie teilst. Schlafe in der Seitenlage, nicht auf dem Rücken oder auf dem Bauch. Das sind einige Anregungen, wie du dich im täglichen Leben verhalten kannst… Eine weitere treibende Kraft, die einem hilft, mit der Gewohnheit zu brechen, kann der Wunsch sein, der Christenversammlung in größerem Umfang zu dienen.» (Quelle: Wachtturm 1973, 15.12. S.756-762 – Die Wachtturm-Gesellschaft)

Zeugen Jehovas Sex
Eine der Publikationen der Zeugen Jehovas

Warum reden wir nicht darüber?

Zugegeben, mit so etwas müssen die meisten Frauen zum Glück nicht aufwachsen. Und dennoch steckt in vielen ebenfalls noch diese Scham- und Schuldkonzept. Warum? Neulich las ich in einem Artikel über die weibliche Masturbation:

«Die Frau ist lange in ihrer Sexualität unterdrückt worden. Zudem schämen Frauen sich dafür, wie sie unten rum riechen, wie ihre Vulven aussehen, die Kürzung der Schamlippen ist immer noch eine der Hauptoperationen bei Frauen. Natürlich schämen wir uns dann auch dafür, wenn wir uns unten rum anfassen. Die Scham sitzt so tief, dass wir nicht darüber reden. Es ist etwas Schmuddeliges, während Sex mit anderen ja etwas Cooles ist. Wenn uns der Nachbar beim Sex sehen würde, ist es uns peinlich, aber es ist noch viel schlimmer, wenn er uns bei der Masturbation erwischen würde. Es hat auch mit dem Mangelgedanken zu tun: Wir machen es nur dann, wenn wir einen Mangel an Sex haben, wenn wir alleine sind. Der Gedanke, sich selbst etwas Gutes zu tun, von Selbstliebe, ist noch nicht verankert.” (Quelle: Wunderweib.de

Verpönte Lust am eigenen Körper

Und genau das ist es: Selbstbefriedigung war kulturell (und vor allem religiös) verpönt, wurde regelrecht abgewertet. Laut einem Artikel in der TAZ, galt «Bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts … Selbstbefriedigung als krankheitserregend oder zumindest sozial stark umstritten.» 

Dass wir in der Regel nicht offen über Masturbation reden, macht die Sache nicht einfacher. Denn diese Scham- und Schuldgefühle werden unterbewusst von einer auf die nächste Generation übertragen. Vielleicht ist es heute nicht mehr verboten, Sex mit sich selbst zu haben. Ausser man gehört den Zeugen Jehovas oder anderen christlich geprägten Gruppen an.

Vulva Shaming lust

Aber die Schuld und die Scham können dennoch ein ständiger Begleiter bei diesem Thema sein. Besonders ausgeprägt ist bei vielen von uns Frauen, dass wir den eigenen Körper an sich abwerten. Ständig wird etwas bemängelt: Die zu dicken Oberschenkel, die Cellulitis, die hängenden Brüste, der zu grosse Bauch, die trockenen Haare, die derbe Haut usw… Wir schämen uns für unser Aussehen, weil wir es mit der angeblichen Norm vergleichen, der wir anscheinend nicht entsprechen.  

Zum Thema Masturbation kommt noch eine Vorstellung hinzu, die bereits in dem oben erwähnten Artikel aus dem «Wunderweib» erwähnt wurde:

«Es hat auch mit dem Mangelgedanken zu tun: Wir machen es nur dann, wenn wir einen Mangel an Sex haben, wenn wir alleine sind. Der Gedanke, sich selbst etwas Gutes zu tun, von Selbstliebe, ist noch nicht verankert.»

Demnach glauben viele von uns immernoch, dass in einer gesunden, sexuell befriedigenden Beziehung Masturbation keinen Platz hat. Das ist ein grosser Fehler!

Warum ist die Lust am eigenen Körper so essentiell wichtig?

In einem Beitrag des SRF (Video und Artikel) wird ein entspannter Umgang mit der Lust am eigenen Körper als ein wichtiger Faktor genannt, um auch in der Beziehung erfüllenden Sex zu haben. 

Und das ist so logisch, wie einfach. Wenn ich meinen Körper gut kenne, weiss, was mir Spass macht, was mir Lust bereitet, kann ich das auch meinem Partner mitteilen. Ja, und dies dann in der sexuellen Beziehung ausleben.

Auch in dem Beitrag «Warum Sie unbedingt masturbieren sollten wird dieses fehlende Bewusstsein und die Liebe zum eigenen Körper als Grund dafür genannt, dass eine erfüllende sexuelle Beziehung zum Partner dadurch viel schwieriger wird: 

«Während für die meisten Männer Selbstbefriedigung ganz selbstverständlich ist, haben viele Frauen Hemmungen, sich selbst zu berühren. Scham, Schuldgefühle oder mangelndes Körperbewusstsein hindern sie daran, sich an Solo-Sex zu erfreuen. Da Masturbation die beste Möglichkeit ist, den eigenen Körper zu erkunden, wissen diese Frauen oft nicht, was sie erregt. Sie wünschen sich von ihrem Partner, dass er ihnen Lust bereitet, ohne selbst ihre Bedürfnisse zu kennen. Das endet oft in Enttäuschungen.»

Es ist wie beim Essen. Wenn ich nicht weiss, was ich mag, bekomme ich auch in einem Sterne-Restaurant nicht das, was ich möchte. 

Sex Beziehung Lust

Wie ich lernte, meinen Körper zu lieben

Ich stellte sehr hohe Ansprüche an das Aussehen meines Körpers. Wenn diese nicht erfüllt waren, war ich unglücklich und konnte mich selbst nicht leiden. Dazu kam, wie oben bereits beschrieben, dass mir durch die Sekte ein schlechtes Gewissen gemacht wurde, wenn ich Lust hatte, mich selbst zu berühren. Ich tat es trotzdem. Aber eben mit einem sehr schlechten Gewissen. Schuldgefühle und Scham waren die Folgen, die mich dann wieder für Monate davon abhielten, diese «unreine Gewohnheit» zu praktizieren.

Was mir half, diese «unreine Gewohnheit» als vollkommen reinen und durchaus heiligen Akt gegenüber mir selbst zu betrachten? Und meinen Körper lieben zu lernen? Nicht ständig das Gefühl zu haben, ich wäre unperfekt und müsste mich für alle Unvollkommenheiten an mir schämen?

Zuerst traf ich die Entscheidung, meinen Körper in dem Zustand, so wie er jetzt ist anzunehmen und nicht mehr verändern zu wollen. Zugegeben eine grandiose Herausforderung, da ich zu diesem Zeitpunkt 20 Kilo «zuviel» auf den Rippen hatte. Aber ich war so müde von dem ganzen Diäten- und Sportwahnsinn, dass ich einfach keine Lust mehr hatte. Allerdings war es nicht allein Resignation sondern das tatsächliche Akzeptieren und das bewusste Sehen meiner Vorzüge, die es ja durchaus auch gab. Wie ich lernte meinen Körper wirklich zu lieben, beschreibe ich übrigens in einem Artikel. Den habe ich für das Magazin «Compassioner» geschrieben und möchte ihn jeder Frau ans Herz legen. «Liebe dich in deinem Körper, wie du jetzt – in diesem Moment – bist!»

Selbstliebe Körper Lust

Der entspannte Umgang mit der eigenen Lust

Das war die Voraussetzung um dann einen Schritt weiter zu gehen und mich eingehend auch mit dem Thema «Selbstbefriedigung» zu beschäftigen. Ich las sehr viel, auch über die Anatomie des weiblichen Körpers, den weiblichen Orgasmus, G-Punkt usw. Ganz wichtig war für mich auch, die Gründe kennenzulernen, warum Masturbation so heilsam sein kann. Und nicht einfach «kann man machen, muss man aber nicht». Willst Du Dich tiefer damit auseinandersetzen, dann schau Dir diesen Artikel an: “Warum Sie masturbieren sollten.”

Ich begann aber auch, bewusst jegliche Hemmungen abzulegen und zum Beispiel wieder erotische Romane zu lesen, mich meiner Lust hinzugeben. Wie in meiner Jugendzeit – diesmal aber ohne schlechtes Gewissen.

Für das war allerdings noch etwas anderes entscheidend, das viele nicht miteinander in Verbindung bringen. Wenn ich im Alltag zu kontrollierend, zu verkrampft und zu pflichtbewusst war, konnte ich mich auch sexuell nicht einfach fallenlassen. Weder mit mir selbst noch mit meinem Partner.

Es fing also damit an, dass ich im täglichen Leben lernte, auch mal die Kontrolle loszulassen. Und die Erfahrung zu machen, dass die Welt davon nicht untergeht.

Ausserdem lernte ich, dass ich mehr «Geniessen» als lästige «Pflichterfüllung» im täglichen Tagesablauf zulassen könnte. Überhaupt «bewusst» mit allen Sinnen meine Umgebung und mein Erleben aufzunehmen, war ein weltbewegender Schritt für mich.

Scham- und Schuldgefühle in Bezug auf meinen Körper

Wie konnte ich diese Scham- und Schuldgefühle ablegen? Da muss ich gleich dazusagen, dass mir das in sexueller Hinsicht tatsächlich gelungen ist. Im Gegensatz zu den Schamgefühlen in Bezug auf meinen Körper an sich. Denn, nicht allzu oft aber manchmal habe ich noch dieses Gefühl, er entspricht nicht wirklich dem Ideal von Schönheit. Ich hatte das erst vor kurzem wieder erlebt, als ich feststellte, dass ich seit dem Beginn der Corona-Krise 5 Kilo zugenommen hatte!

Mittlerweile löst so etwas gottseidank keine Schreikrämpfe oder Selbstverurteilungsszenarien mehr aus. Aber angenehm war es erst mal trotzdem nicht. Hier habe ich allerdings gelernt, dass ich entspannter damit umgehen kann, wenn ich einfach akzeptiere, dass ich jetzt so fühle und meinen Körper so annehme wie er gerade ist. Ohne mich dafür zu verurteilen. Also: Indem ich das wieder selbst anwendete, was ich anderen Frauen mit auf den Weg gab.

Ich persönlich nehme ganz von allein wieder ab. Allein durch die entspannte Haltung und die bewusste Ausrichtung auf das, was mich erfüllt, mich glücklich macht. Zum Beispiel eben Solo-Sex.

Scham Frust statt Lust

Wie schaffte ich es, auch die Schuld- und Schamgefühle, die mir von religiöser Seite aus eingepflanzt wurden, abzulegen?

Die Schuld- und Schamgefühle in religiöser Hinsicht habe ich relativ schnell ablegen können. Wie? Indem ich die Regeln und Ansichten dazu bewusst und kritisch hinterfragte. Wer behauptet (so wie die Zeugen Jehovas), dass Masturbation zu Homosexualität führt, hat irgendwie nicht alle Tassen im Schrank. Ich selbst glaube nach vielen Recherchen auch nicht mehr an die Bibel als ein Heiliges Buch. Somit hat für mich das, was dort über Sexualität gesagt wird, keine Relevanz. Das spannende aber ist, falls jemand die Bibel noch als einen Massstab ansieht und gerne christlich leben möchte: Selbst dort, in diesem Buch, wird nichts, aber auch gar nichts über Masturbation gesagt. Alles, was dort rausgeholt wird, um diese absurde Bezeichnung «unreine Angewohnheit» zu stützen, ist hin- und zurechtgebogen worden bis zum «gehtnichtmehr».

Die wichtigste Erkenntnis, die ich für mich in den letzten Jahren aus allem, was ich las und selbst erlebte, gezogen habe? Sie lässt sich mit den einfachen Worten ausdrücken: «Wer sexuell unbefriedigt ist, ist selber Schuld. Denn alles was du brauchst, hast du selbst in der Hand.»

Mehr dazu: https://www.femelle.ch/love/selbstbefriedigung-keine-falsche-scham-1365

Willst Du tiefer eintauchen in die Themen “Selbstakzeptanz” und “den eigenen Weg finden”? Dann sprich mich einfach an, und lass uns drüber reden, wie ich Dich unterstützen kann. Ich freu mich, Dich kennenzulernen: Wegbegleitung und Coaching

WICHTIG: Falls sexueller Missbrauch in Deiner Kindheit stattfand, könnte dieses Thema Dich eventuell triggern. Ich empfehle Dir, in diesem Fall einen Therapeuten/eine Therapeutin aufzusuchen, am besten jemanden, der auf Traumen und/oder Sexologie spezialisiert ist. 

Lust Leidenschaft
Noch mehr Zitate und Sprüche findet Du hier

2 Comments

  • Ash-Li

    Das ist jetzt mal ein Thema, wo ich mich gerne zurückhalte. Warum? Man kann sich vorstellen, dass ich, ohne in der Sekte aufgewachsen zu sein, ebenso tabuisiert habe, weil ich so von meiner Mutter und vom kath. Internat so erzogen wurde. Wirklich ‘rausgekommen bin ich aus diesem Tabu nie. Heute, mit 63, ist es mir eigentlich egal. Deshalb: No comment. 😀 🙂

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