Natalies Diary
Natalie Barth Diary
Gefühle,  Life

Heute auch schon versagt oder warst Du erfolgreich?

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Heute tritt bereits den ganzen Tag (es ist jetzt fast 20 Uhr) an diese Stelle der mir so bekannte  innere Antreiber namens «Du musst noch dies und das machen!», gefolgt von Energielosigkeit und Selbstverurteilung, weil ich «dies und das» nicht geschafft habe.  Versagt auf ganzer Linie. Oder?

Zudem finde ich meine Haare unmöglich, der Aussenwelt kaum zumutbar, bemerke, dass meine Beine unbedingt rasiert werden müssten und sehe permanent in jedem Spiegel, an dem ich vorbeilaufe, mein aschfahles, unmotiviertes, aufgedunsenes Gesicht. 

Der Tag ist doch der totale Reinfall! Am besten ich wäre gar nicht aufgestanden! Sogar mein Hund verkriecht sich vor mir in einer Ecke, als ob er denken würde: «Mädel, bitte krieg Dich wieder ein, Du bist mir unheimlich.»

Wenn ich so recht überlege, hätte ich es eigentlich wissen müssen. Das Leben verläuft doch nicht in einer geraden Linie, sondern in Phasen. Und diese wiederum sind bei jedem von uns anders ausgeprägt, folgen einem ureigenen Rhythmus. 

Als ich vor ein paar Wochen begann meine alten Tagebücher aus der Teenager-Zeit bis jetzt zu lesen, stach mir genau das immer und immer wieder ins Auge: An einem Tag war ich so voller Tatendrang und Enthusiasmus, dass ich dachte, ich kann ALLES erreichen. Am darauf folgenden Tag sah ich nur noch das Düstere, meine eigenen fürchterlichen Schwächen, mein Versagen. Zwei Tage  oder Phasen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.

Das Muster: Versagt und gesiegt

Ich erkannte ein Muster, das sich bis heute durch mein Leben zieht und genau dieses Bewusstwerden dessen ist heute mein Anker, wenn ich wieder so eine ganz verzweifelte, selbstverurteilende Phase erlebe.

Heute hat es allerdings wieder einige Stunden gedauert, bis ich gnädiger und mitfühlender mit mir selbst wurde und mich beruhigen konnte mit dem Gedanken, dass nichts für immer bleibt und so auch dieser Tag heute vorübergehen wird.

In dem Moment, wo ich genau diesen Umstand und mich selbst so annehmen kann, nicht mehr verzweifelt versuche das «müsste» und «sollte» zu erfüllen, mich nicht mehr zu disziplinieren (Disziplin ist absolut nicht mein Ding) und auch keine Verbesserungs- und Optimierungsversuche an meiner «mangelhaften» Person vornehme, entspannt sich alles.

So paradox es klingt: Das war heute genau mein Moment, indem ich plötzlich einige von den Dingen umsetzte, die ich den ganzen Tag über mit lauter innerem Antreiber nicht geschafft habe. Ich habe die Erwartungshaltung an mich selbst aufgegeben und die Phase als zu mir und meiner Person natürlich gehörend angenommen.

Dadurch verlor das bedrohlich über mir schwebende Damoklesschwert der Unzufriedenheit mit mir selbst seine Macht.

Was bedeutet denn Erfolg?

Wenn ich mir heute abend mal ganz objektiv bewusst mache, wieviel Erfolg ich an diesem nach meinem Empfinden eher erfolglosen Tag in Wirklichkeit hatte, relativiert sich inzwischen sogar diese so viele Jahre lang bedrohliche Phase für mich. 

Erfolg bedeutet genau heute für mich, dass ich (zwar erst abends, aber immerhin heute) an meinem Buch weiterschrieb und ganz viel Quellen- und Recherchearbeit betrieb. Jetzt ist es nach 20 Uhr und ich schreibe noch einen Artikel für meinen Blog. Meine Hunde und Katzen bekamen heute alle zu Fressen, zu Trinken und Streicheleinheiten. Und ich räumte sogar die Geschirrspülmaschine am Morgen aus (zugegebenermassen nicht so ganz selbstverständlich für mich, da ich hausfrauliche Qualitäten nicht unbedingt zu meinen Stärken zähle). 

Was Erfolg ist, ist doch immer eine Betrachtungsweise. An Tagen, wo ich mental und körperlich zu ganz wenigem in der Lage bin, hilft es jedenfalls nichts, sich gegen die Energielosigkeit  und Hoffnungslosigkeit zu stellen und sie erbittert zu bekämpfen. Die Situation, mich und alles was ist in dem Moment einfach anzunehmen und mitfühlend mit mir selbst zu sein und gleichzeitig wirklich alles als «Erfolg» zu bezeichnen, was auf den ersten Blick total absurd und banal erscheint, hat mich allerdings viel schneller wieder aus so einer Phase herauskatapultiert, als ich es für möglich gehalten hätte.

Von Aussen erscheinen viele Menschen, die uns umgeben, so wahnsinnig erfolgreich und zufrieden mit sich selbst.

Genau diesen Zustand wollen wir dann auch erreichen und glauben, wenn wir nur genug an uns arbeiten und uns verbessern, und zwar mit genau den Mitteln und Techniken, die propagiert werden, dann kommen wir an dieses Ziel.

Erfolgreich oder versagt?

DAS ist mein, DAS ist unser Problem! Diese ewige Suche, diese ständige Optimierung, diese permanente Unzufriedenheit mit dem was und wie etwas gerade ist.

Nein, das Leben ist nicht geradlinig. Es besteht aus Auf und Abs, aus Wellen, die man nicht einfach wegdiskutieren kann, aus unterschiedlichsten Phasen. Auch meine Emotionen, mein Energielevel, mein mentales und körperliches Vermögen sind diesen Phasen unterworfen. Ich kann versuchen, mich mit aller Macht zu optimieren, leistungsfähiger zu werden, meine Ziele um jeden Preis zu erreichen, aber dann habe ich nicht verstanden, was Leben heisst.

Denn Leben heisst nicht, vor jeder Welle davonzuschwimmen oder gar vor lauter Angst sicher behütet am Strand zu warten und darauf zu schimpfen, dass es überhaupt Wellen gibt. Dann hättest Du wirklich versagt!

Leben heisst auch nicht, mit aller Gewalt gegen die Welle zu schwimmen und dafür die letzte Kraft aufzuwenden. So als ob die Welle dann so einfach zu überwinden wäre, wenn man den letzten Fetzen Energie aus sich herausholt. 

Leben heisst, das Surfbrett zu packen und sich der Welle zu stellen, sie anzunehmen, ja sie sogar zu reiten. 

Zum Anhören: Heute auch schon versagt?
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