Natalies Diary
Gedanken

Pauschalisieren – so werden wir irregeführt

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Die Bedeutung von Pauschalisieren (bildungssprachlich): etw. pauschal, undifferenziert behandeln, zu sehr verallgemeinern und unzulässig vereinfachen. Was in manchen Fällen dann dazu führen kann: Was ich nicht kenne oder für Spinnerei halte, verurteile ich erst mal. Da sind wir Menschen uns doch alle recht ähnlich – und das seit Jahrtausenden.

«Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht.»

Und was der Bauer bereits kennt und damit schlechte Erfahrungen verbindet, das wehrt er ebenfalls ab. Und verurteilt so ganz pauschal und übergreifend.

Mann mit Skepsis, verurteilend, pauschalisieren
Foto von Andrea Piacquadio von Pexels

Alternativtherapeuten schimpfen über Klassische Medizin und Pharmaindustrie. So ganz pauschal. Verschwörungsgläubige verurteilen die gesamte «Mainstream-Presse» und ALLE Politiker – “gekauft und korrupt”.  Das begegnet uns im Alltag seit der Corona – Krise sehr häufig. Diese Pauschalisierungs- und Verurteilungstendenz bestand allerdings bereits schon vorher. Und die gibt es in allen Bereichen, die das Menschsein betrifft.

Pauschalisieren und Verurteilen von kompletten Branchen

Im Lauf meiner vierjährigen Naturheilpraktiker-Ausbildung wurde ich mit einigen pauschalen Verurteilungen geradezu bombardiert. Pauschal gegen Impfung, gegen Schulmediziner, gegen die Pharmaindustrie.

Was viele, die mir jetzt vielleicht zustimmen, allerdings überraschen mag, ist, dass diese Pauschalisierungs- und Verurteilungstaktik auch auf der «Gegenseite» besteht. Auch da: “Was ich nicht kenne oder nicht verstehe, muss unseriös sein. Was ich kenne und bereits schlechte Erfahrungen damit machte, wird pauschal verurteilt.”

Da wird mit Begriffen wie «Heilpraktiker», «Alternativmedizin», «Coaching» und «Esoterik» umhergeschmissen, als wüssten die Betreffenden in diesen Themen genauestens Bescheid. Tun sie nicht.

Was das Problem beim Pauschalisieren ist

In vielen Fällen, in denen ich in letzter Zeit irgendeine Kritik zu den genannten Bereichen las, wurde ganz à la Verschwörungstheoretiker-Manier etwas beurteilt, bei dem man entweder überhaupt keine eigene Erfahrung hatte. Oder es waren vor allem schlechte Erfahrungen in einem ganz bestimmten Bereich, mit einer bestimmten Person oder Personengruppe vorhanden.

Oder man begriff einfach überhaupt nicht, um was es eigentlich geht, stellte einen Sachverhalt als zu vereinfacht dar. Und das führte dazu, dass Begriffe falsch definiert, dass pauschalisiert und nicht unterschieden wurde und eben alles, was man selbst darunter verstand in einen Topf geworfen, einmal schön umgerührt und ein polemisierender Artikel geschrieben oder ein Video fabriziert wurde. Und all das in und von «seriösen» Personen (wie zum Beispiel Psychologen) oder Medien. Seriös sieht für mich leider anders aus. 

Da gibt sich jemand aufgeklärt, weil er einmal etwas erkannt hat und nicht mehr so «dumm» ist wie vorher oder wie bestimmte Gruppen. Und fällt kurz darauf wieder in das gleiche Muster, wie diejenigen, die er so schön verurteilt. Und ganz ehrlich? Ich nehme mich da nicht aus. Ich weiss, wovon ich spreche, denn ich habe selbst diese Tendenz.

Pauschalisieren – Alles in einen Topf werfen und kurz umrühren

Mann mit Aluhut und gegen die Maske, Verschwörung, pauschalisieren von Gruppen

Ja, ich finde es auch saudoof, dass einige Heilpraktiker und Esoteriker (was auch immer man darunter verstehen mag, denn allein das ist schon ein Kapitel für sich) gerade auf sehr unrühmliche Weise auf sich aufmerksam machen. Aber nicht alle aus diesen Kreisen sind komplette Impfgegner, Corona-Leugner, Maskenverweigerer oder der rechtsradikalen oder antifeministischen Szene zugeneigt. Das eine hat mit dem anderen im Grunde GAR NICHTS zu tun. Und wiederum ist ein Impfgegner nicht gleichzeitig ein Rechtsradikaler, was manche Berichterstattung in den Medien leider und fälschlicherweise oft vermuten lässt.

Um noch mehr Beispiele anzuführen: Nur weil jemand bei manchen Erkrankungen Naturmedizin bevorzugt oder eine medizinische Behandlung mit alternativen Methoden ergänzt, heisst das nicht, dass er ein fanatischer Verteidiger von irrationalem Gedankengut ist oder hinter der Pharmaindustrie eine komplette Verschwörung vermutet. Nur weil jemand eine höhere Macht für möglich hält und dem Atheismus nicht zugeneigt ist, ist er kein religiöser Spinner, der andere Menschen gefährdet.

Wenn einige wenige zum Aushängeschild einer ganzen Gruppe werden…

Gleichzeitig muss ich zugeben, dass die Quote der Corona-Leugner unter diesen Gruppen unverhältnismässig hoch sein muss, denn auch ich stosse inzwischen mehrheitlich auf solche Vertreter. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die, die sich aufregen einfach am meisten auffallen und die, die einfach noch ihren klaren Menschenverstand einsetzen, eben nicht so schnell die Klappe aufmachen sondern erst einmal abwarten und ein wenig forschen, bevor sie irgendetwas von sich geben.

dumme Menschen, die alles glauben, was sie lesen, pauschalisieren

Leider führen solche wenig seriösen Artikel in den Medien zu genau dem gleichen Ergebnis bei ihren Lesern, wie die seit Monaten kursierende Corona-Verschwörungs-Propaganda. Da die meisten einfach lesen ohne selbst nachzuforschen, plappern sie irgendetwas nach, was sie aus einer allgemein akzeptierten, seriösen Quelle haben. UND: Das Nachgeplapperte gefällt ihnen deshalb besonders, weil es in ihr persönliches, aber beschränktes Weltbild passt. Das gilt leider für uns alle, denn wir haben diese Tendenz in uns, nur das für wahr zu halten, was wir bereits kennen.

Beispiel für Pauschalisieren im Journalismus

Ein Beispiel, wo unseriöser Journalismus «at its best» und Pauschalisieren im grossen Stil stattfindet: Die sogenannte «Coaching-Szene». Ein Artikel im Spiegel machte mich etwas sprachlos, vor allem, als ich in diesem Magazin ein bischen weiter nachforschte. Die Autorin vergleicht die Verbreitung des Coachings mit einem Grippe-Virus und kommt dann zu dem Schluss «Denn schon nach wenigen Stunden führt so ein Training dazu, dass gecoachte Männer und Frauen an Ähnlichkeit mit sich selbst verlieren.»  (Quelle: Spiegel online)

coaching mentoring Natalie Barth, nicht pauschalisieren

Einen dümmeren, oberflächlicheren Artikel habe ich selten gelesen. Gleichzeitig bringt der Spiegel selbst ein Coaching-Magazin heraus, in dem  Trainingsprogramme für Veränderung angeboten werden. Ausserdem publiziert er auf seiner Seite einen Pro-Coaching-Artikel nach dem anderen. 

Auch Coaching ist nicht gleich Coaching und Coach ist nicht gleich Coach. Als eine der Vertreterinnen dieser Branche bin ich selbst zum Teil negativ berührt, wie manche den Begriff «Coach» als Beruf ausleben. Auch da gibt es genügend negative Beispiele. Und gleichzeitig genauso viele positive.

Lernen zu differenzieren

Fazit: Bevor man eine ganze Branche oder Menschengruppe durch den Kakao zieht, bloss weil das grade populär ist oder man selbst schlechte Erfahrungen machte, sollte man sich ein wenig tiefer und unvoreingenommener mit dem befassen, über das man sich da so auslässt. 

Wer einfach nur mit Begriffen um sich wirft und Menschen in Töpfe und Kategorien einsortiert, ohne wirkliche Ahnung, ist nicht unbedingt glaubwürdig. Wer nachplappert, was sein Umfeld von sich gibt und nicht selbst nachforscht, ist einfach nur dumm und bleibt es auch. Dabei ist es ganz egal, ob man sich als gottesgläubig oder als Atheist bezeichnet, Corona-Leugner bzw. -kritiker oder Massnahmenbefürworter, Impfbefürworter oder Impfgegner, Naturheilpraktier oder Arzt (oder Anhänger des einen oder des anderen), Psychologe oder Coach oder Kritiker der beiden Branchen, etc…

Pauschalisieren ist der Wahrheit extrem fern und irreführend.

Das Pauschalisieren zeigt eigentlich nur, dass der Verfasser im Grunde keine wirkliche Ahnung hat und niemals tiefer in das Thema eingetaucht ist.

Selber forschen und denken bedeutet ausserdem, dass ich mich auch auf Gedankengut einlasse, das meinem aktuellen Weltbild möglicherweise widerspricht. Und dann das Thema von verschiedensten Seiten aus beleuchte. Das ist richtig harte Arbeit. Wenn man diese Arbeit nicht machen möchte, ist das natürlich legitim. Wer öffentlich etwas von sich gibt und damit Menschen beeinflusst, sollte aber zumindest ein wenig Bescheid wissen, über was er da schreibt.

Ja, und manchmal hilft es auch, ein wenig bescheiden anzuerkennen, dass ich selbst durch das ganze Nachforschen wohl nur einen Bruchteil jemals verstehen werde. Dass es im Universum mehr nicht beantwortete Fragen gibt als beantwortete. Und dass ich vielleicht wohl niemals die “ganze Wahrheit” über eine bestimmte Thematik herausfinden werde. (siehe mein Artikel “Brauchen wir auf alles eine Antwort?”)

Fragen sind offen, nicht auf alles gibt es Antworten

Zum Weiterlesen:

Werten. Urteilen. Pauschalisieren. Muss das eigentlich immer sein?

Jeder pauschalisiert. Ich zumindest.

Aus dem DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT: Homöopathie: Argumente und Gegenargumente

Krisen meistern Überlebens - Guide Natalie Barth Nataliesdiary

Von meinem neuen YouTube-Kanal “SEELENSTOFF – WORTE DIE BERÜHREN“:

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