Geh Deinen eigenen Weg

Im Jahr 2008 kaufte ich mir ein kleines  Buch mit dem Titel: „Geh Deinen eigenen Weg“. Zwei Tage vor der Hochzeit mit meinem jetzigen Mann. Wir hatten eine Scheiss-Zeit in unserer Kennenlernphase. So sollte das eigentlich nicht sein, wenn man sich verliebt und die Schmetterlinge im Bauch wild durcheinander fliegen. Aber so war es leider. 

Damals konnte ich nicht ahnen, wohin mich dieser „eigene Weg“ führen würde. Über wieviele steinige Hügel und schwer zu erklimmende Berge ich gehen müsste. Dass meinem Mann und mir die Kennenlernphase so dermassen schwer gemacht wurde, war erst der Anfang. Dies alles hatte direkt mit der Sekte zu tun, in die ich hineingeboren wurde – den Zeugen Jehovas und ihren Regeln und Vorschriften, die bis in den intimsten Bereich des Privatlebens hineinreichten.

Die inneren Konflikte, die Zweifel wurden grösser und grösser. Die Erschöpfung und das Gefühl, permanent zu versagen und wie ein Hamster im Rad einer Zukunft hinterherzulaufen, die immer utopischer erschien, auch.

Heute, viele Jahre später, kann ich von ganzem Herzen sagen, dass ich meinen eigenen Weg gehe. Nicht immer, aber sehr viel mehr und konsequenter als jemals zuvor in meinem Leben. Ich sehe mich manchmal immernoch vor bergigen Herausforderungen, von denen ich nicht weiss, wie ich sie bezwingen soll. Und dann kommt mir in den Sinn, dass ich bereits eine ganze Bergkette hinter mir gelassen habe. Warum sollte ich also nicht auch diesen Berg besteigen können? 

2008 las ich diese Botschaft, die sich in meinem Unterbewusstsein eingravierte „Geh Deinen eigenen Weg“. Der Schritt, meinen Mann zu heiraten, der vielen ein Dorn im Auge war – wegen seiner viel zu liberalen, unangemessenen Einstellung – war erst der erste Schritt, die erste Entscheidung von vielen, die mich auf den Weg führten, auf dem ich endlich das Sektengefängnis erkannte. Genau 10 Jahre später, 2018, schrieb ich meinen Ausstiegsbrief an die Zeugen Jehovas. Und schritt damit offiziell durch die endlich offenen Gefängnistüren.

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