Natalies Diary
Gedanken,  Gefühle,  Sekte

Selbstachtung trotz finanzieller Probleme?

Gerade bin ich dabei wieder etwas essentiell wichtiges für mein Leben zu lernen: Grenzen setzen, Nein sagen, meinen Raum schützen. Und das trotz dieser oben beschriebenen Gefühle. 

Verschiedene Ereignisse in den letzten Tagen haben mich immer wieder zu einem Verhalten gezwungen, in dem ich klar Stellung beziehen und einmal «nicht so nett» sein musste. Ich war selbst erstaunt wie unglaublich viel Überwindung mich das immernoch in manchen Situationen kostet, obwohl ich inzwischen gelernt habe, dass diese oben beschriebene Situation mich in keinster Weise als Abschaum der Gesellschaft kennzeichnet.

Allerdings muss ich regelmässig mit Menschen in Verbindung treten, die für meine Situation nur Verachtung oder ein müdes Lächeln übrig haben, teilweise mit der Erklärung «selbst schuld» ohne alle Hintergründe zu kennen. Vielleicht ist das tolle Indianersprichwort für die allgemeine Gesellschaft einfach nicht praktikabel oder umsetzbar:

«Urteile nie über einen anderen, bevor Du nicht einen Mond lang in seinen Mokassins gelaufen bist».

Indianersprichwort

Denn gerade in finanziellen Dingen und alles was Geld und Erfolg betrifft, ist man in einer Wohlstandsgesellschaft (und ganz besonders auch in angeblich spirituellen Kreisen) recht schnell dabei sein Urteil über den anderen zu fällen. 

Wie auch immer, ich muss mich also mit dem Gefühl der Schuld – für mich hängen Schulden und Schuldgefühle sehr eng zusammen – trotzdem in den Zustand versetzen können, mich nicht unterbuttern zu lassen. Ob das einen Gläubiger betrifft, der um jeden Preis auf sein Geld pocht, oder Menschen, die schlicht über meine persönlichen, nicht finanziellen Grenzen hinweg gehen, spielt keine Rolle. 

Von klein auf habe ich allein schon durch die Sekte den nicht in Frage zu stellenden Grundsatz eingepflanzt bekommen: «Sei so, dass Dich andere lieben können. Ob Gott oder Menschen.» Und das hiess vor allem nett sein und hauptsächlich Ja und Amen sagen, wenn jemand etwas von mir verlangt, besonders wenn ich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dieser Person oder Institution stehe. Beliebt sein, Anerkennung und Wohlwollen geniessen, das alles hatte absolute Priorität – noch vor meinen eigenen Wünschen.

Heute lerne ich vor allem dadurch, dass ich meine eigenen Grenzen und Wünsche immer besser kenne und den Respekt vor mir selbst mehr und mehr praktiziere, dass ich nicht immer nett sein muss, dass meine Wünsche genauso wichtig wie die der anderen sind, dass ich mir nicht mehr ein Bein raus reissen muss, um andere zu befriedigen, während mein eigenes Leben hinten ansteht und ganz besonders auch: Dass ich keine Schuldgefühle haben muss, ja, dass diese sogar mehr als hinderlich sind, wenn ich ein freies und glückliches Leben leben möchte.

Ich lerne: «Scheiss drauf» mehr und mehr zu schätzen und umzusetzen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich als ein egoistisches Schwein bezeichnet werde. 

Es fällt mir immernoch mehr als schwer über Geld und Schulden zu reden, besonders öffentlich. Die wenigsten kennen die ganze Geschichte dahinter. 

Da rede ich noch lieber über meine Sektenvergangenheit. Aber, ich spreche über alles das hier nicht nur, um selbst besser mit der Situation klarzukommen sondern um denen, die ähnliches fühlen und erleben etwas zuzurufen: «Dein finanzieller Engpass, Deine Schulden, Deine Existenzängste, Deine Lebenssituation definiert Dich nicht, schon gar nicht in Richtung «Abschaum». 

Erst wenn die Schuldgefühle soweit runtergefahren sind, dass man voller Selbstbewusstsein und Stärke auftreten kann, hat man auch die Chance die Situation zu ändern, erfolgreich zu sein. Und wird damit auch erst wieder in die Lage versetzt auch den finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können (das ist den meisten Gläubigern leider überhaupt nicht bewusst, denn vor lauter «Ich will mein Geld, denn ich habe ein Anrecht darauf» entgeht ihnen die Tatsache, dass auch sie ihr Geld nicht bekommen werden, wenn die Voraussetzungen bei mir selbst nicht vorhanden sind, erfolgreich Geld zu verdienen).  Und das bedeutet in dieser entscheidenden Phase, wo es mehr als unangenehm ist, auch mal als Ego-Schwein mit der Einstellung «Ist mir Scheiss-egal» aufzutreten. 

Wow, so viele Jahre und so viele schlimme Verurteilungs- und Selbstverurteilungs-Gespräche hinter mir, musste ich erkennen, dass das der falsche Weg ist, um da rauszukommen.

Aber je mehr ich diese neue Einstellung lebe und nach Aussen demonstriere, desto stärker werde ich innerlich. Das ist ein Gefühl, das mir ermöglicht voller Vertrauen und Perspektiven in die Zukunft zu blicken.

«Scheiss drauf» und «Glück» haben doch sehr viel mehr gemeinsam, auch in diesem heiklen Thema, als es mir je vorher bewusst war.

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