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Selbstoptimierung: Glücklicher, erfolgreicher, schöner?

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Selbstoptimierung als Lebensweg. Kommt Dir das auch bekannt vor?

Gestern war ein Tag, der einfach nur absolut daneben war. Und wenn ich ganz ganz ehrlich bin….dann nicht nur gestern. Ich glaube, diese Phase, in der ich mich seit ein paar Tagen befinde, hatte sich angebahnt als mein Hund starb. Zuerst hatte ich mich mit Ablenkung zugeschüttet , denn der Tod meines geliebten Tieres traf mich sehr tief und diesen Schmerz hielt ich kaum aus. 

Aber ich weiss andererseits auch, dass diese Trauer zum Leben dazu gehört. Und dass ich nicht funktionieren muss, nur weil mir das jahrelang eingetrichtert wurde:

«Krieg Dich wieder auf die Reihe»

«Du musst positiv denken und einfach nur an das schöne denken, dass Du erlebt hast»

“Negative Emotionen müssen nicht sein. Du kannst sie durch Positive ersetzen!”

«Lass Dich nicht hängen, kämpf weiter»

«Mann, mach doch nicht so ein Drama aus allem. Viele müssen schlimmeres erleben. Sei dankbar.»

Noch dazu ein kleiner Einblick in meine Sektenvergangenheit und wie dort mit dem Thema «Nicht volle Leistung bringen und so sein wie man sein sollte» umgegangen wurde: Nicht zu funktionieren wie gewohnt, war kein Grund die Anbetung und den Dienst für Gott zu vernachlässigen.

«Dein Tier starb und deswegen kommst Du nicht in die wöchentlichen Zusammenkünfte? Und deswegen gehst Du weniger von Haus zu Haus um über die Bibel zu sprechen?  Dann musst Du erst recht kommen und erst recht viel tun im Werke des Herrn. Nur dort und nur so tankst Du wieder Kraft.»

All das impliziert, dass die Trauer und das Durchhängen etwas sind, das beizeiten beendet werden muss und nicht in Ordnung ist, nicht gelebt werden soll.

Bitte möglichst schnell und ohne Aufwand durch die Krise durch und hinter sich bringen! Und genau so wollen wir fast alles in unserem Leben optimieren, verbessern, verschönern, reparieren.

Wir und unser Leben sind SO nicht in Ordnung.

Tücken der Weiterentwicklung und Selbstoptimierung

Ich habe mich jetzt viele Jahre lang mit Persönlichkeitsentwicklung, Spiritualität und Gesundheit beschäftigt. Und das war gut so, ich würde es wieder machen, denn ich habe sehr viele neue Eindrücke über Weltanschauungen und Möglichkeiten zur Verbesserung des Lebens erhalten. Ich lernte, dass ich nicht einfach nur ausgeliefert bin, Opfer meiner Umstände und Vergangenheit, sondern dass ich selbst aktiv einiges in meinem Leben gestalten kann. Dass ich durch verschiedene Techniken zu mehr Ruhe und Gelassenheit finden kann – zum Beispiel durch Meditation. Und dass ich meinen Gesundheitszustand mehr beeinflussen kann, als es mir bisher bewusst war. All das hat mich aus meinem Loch herausgeholt, in dem ich durch die jahrelange Sektenindoktrination geraten war. Ein Loch, in dem mir alles nur noch sinnlos erschien und ich mir selbst machtlos vorkam.

Aber es dauerte nicht lange und ich liess mich von diesem neuen Sog gefangen nehmen, in dem ich nicht mehr nur mein Leben ein Stück weit leichter leben KONNTE sondern MUSSTE. Ja, ich musste mich tatsächlich immer weiter verbessern, denn das wäre meine Verantwortung, so wurde mir das von verschiedenen Seiten vermittelt. Da gab es noch diesen Kurs und jene Weiterbildung und dieses Buch und jenen Podcast und dazu 1000ende von YouTube-Videos. Alle mit dem Ziel die Persönlichkeit oder das Leben oder die Gesundheit oder sogar die Spiritualität zu verbessern und verbessern und verbessern. Irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich der Überzeugung war, ich kann ALLES in meinem Leben erreichen, ich muss es nur wollen. Ich kann vollkommen gesund sein, total reich und erfolgreich und meine Persönlichkeit so ändern, dass ich einer der gelassensten Menschen werden könnte, die ich kenne. 

Der Druck der Selbstoptimierung

Das Problem dabei ist, dass genau diese Weltanschauung einen unheimlichen Druck aufbaut, den man anfangs allerdings noch nicht bemerkt, weil man – durch die neu gewonnenen Erkenntnisse – so voller Euphorie steckt. Der Druck wird dann stärker, wenn man an die eigenen Grenzen stosst und irgendwann feststellt, dass man doch nicht alles erreichen kann, alles sein kann, was man sich wünscht. Dann kommen Versagensängste ins Spiel. «Mist, die anderen schaffen das, aber ich nicht. Irgendwas mach ich immernoch falsch. Ich glaube noch nicht genug. Ich manifestiere noch nicht richtig.»

Es folgen Scham- und Schuldgefühle. Vor allem durch den Vergleich mit den Leuten, von denen man all diese tollen Tipps und Weisheiten bekommen hat und die ihr Leben so problemlos auf die Reihe zu kriegen scheinen. 

Ich kenne es von mir und von anderen, die sich mir geöffnet haben: Minderwertigkeitsgefühle, weil man krank ist, statt gesund. Schuldgefühle, weil man wütend, traurig und manchmal voller Hass ist, obwohl man doch voller Liebe und Vergebung sein sollte. Scham, weil man noch nicht die Geldsumme manifestiert hat, die einen aus dem finanziellen Schlamassel herausholen sollte. Schuldgefühle, weil man nicht so erfolgreich ist, wie man es sich ausgemalt hat.

Und noch ein weiterer Industriezweig lebt vom Selbstoptimierungswahn: Die Schönheits-Branche. Auch das habe ich bis zum Erbrechen hinter mir, vor allem in meinen Teenagerjahren und den 20ern. Hierüber schrieb ich sogar mal einen Artikel für eine Zeitschrift (Compassioner).

Warum ich mein Leben so öffentlich mache

Weisst Du warum ich hier alles, was grade so in meinem Leben läuft und lief breittrete – auch die negativen, beschämenden Dinge? Und warum ich solch persönliche Informationen mit der Welt teile? Meine Irrungen und Wirrungen, meine Schwächen, meine Gedanken und Gefühle?

Weil uns dort draussen inzwischen eine Welt vorgegaukelt wird, die in Realität einfach nicht existiert. Egal wer vor Dir steht, egal wer seine Weisheiten und sein Wissen von sich gibt, es sind alles Menschen. Einfach nur Menschen. So wie Du und ich. Keiner von ihnen gehört auf ein Podest und muss bewundert und angehimmelt werden. Niemand ist so perfekt, wie es sich von aussen darstellen mag. Keiner kriegt alles auf die Reihe. Auch wenn es so scheinen sollte. 

Dazu ein Spruch, der mir ganz besonders an Tagen ein Schmunzeln bereitet, an denen ich mich minderwertig im Vergleich zu anderen fühle:

«Zum Scheissen muss jeder aufs Klo.»

Spätestens mit diesem Bild vor Augen, relativieren sich die «Halbgötter» wieder und werden ganz normale Menschen mit den gleichen Bedürfnissen, wie jedermann.

Heute könnte man einen Coach (oder Arzt, Therapeut, Heilpraktiker, Psychologe, Berater, Spiritueller Lehrer, Leiter etc.) und einen Guru ganz leicht verwechseln. Entweder derjenige stellt sich selbst auf’s Podest und verkündet, wie er selbst bereits alles wunderbar hinkriegt oder wie gross sein Fachwissen und seine Kompetenz sind. Oder die Anhängerschaft macht es mit ihm. Und egal über was auch immer derjenige spricht, man möchte ihm alles abnehmen und abkaufen, denn es klingt so gut und weise und einfach.

Der Machtmissbrauch in helfenden Berufen

Warum passiert das so oft in helfenden und heilenden Berufen? All diese Menschen und Berufe sind notwendig und haben ihre Daseinsberechtigung. Gott sei Dank, ich bin ja selbst so jemand, seit ich meine Praxis für Naturheilkunde und Coaching habe. 

Nur: Wenn ein Mensch in einer Lage ist, in der er Hilfe braucht und sucht, fühlt er sich oftmals sehr minderwertig. Der Gegenüber, derjenige, der die Hilfe zur Verfügung stellt, erscheint dann wie eine Offenbarung, der Rettungsanker, der letzte Hoffnungsschimmer. Und genau in dieser Situation wird er auf ein Podest gestellt – man selbst steht unten und schaut zu ihm auf. Eine Verbindung auf Augenhöhe wird dann immer schwieriger.

Ich tendiere auch immer mal wieder dazu, Menschen, die mich faszinieren auf so ein Podest zu stellen und ihnen alles abzukaufen, was sie mir vermitteln. 

Je mehr ich mir dessen aber bewusst werde (dass ich zum Beispiel wieder ununterbrochen sage: « Aber xy hat gesagt, dass….») und je mehr ich meine eigenen Stärken, meinen eigenen Weg beachte und würdige, desto leichter fällt es mir, in mir wieder eine Balance herzustellen und diesen Menschen als einen ganz gewöhnlichen, mit mir auf einer Stufe stehenden Homo sapiens zu sehen.

Leben ist JETZT – so wie Du bist – ohne ständige Selbstoptimierung

Den Druck, mich selbst immer permanent verbessern zu müssen, damit ich erfolgreicher, schöner, glücklicher, gesünder usw. werde, lege ich jedenfalls mehr und mehr ab. Dieser Optimierungswahn kann nämlich zu einer regelrechten Sucht werden.

Was wir bei den ständigen Verbesserungsversuchen unserer Person und unseres Lebens (die zum Teil auch ihre Berechtigung haben, aber eben nur massvoll) oft vergessen: Das Leben findet im JETZT statt. Und zwar genau in dem Zustand, in dem wir uns gerade eben befinden. Also ist auch das der optimale Zustand um zufrieden zu sein und das Leben und den Moment zu geniessen.  

Und was das Bewundern und Hinterherlaufen von eindrucksvollen Persönlichkeiten anbelangt, die uns versprechen, wenn wir erst dies und das und jenes erreicht haben, sind wir wirklich glücklich und zufrieden: Da lass ich mich inzwischen zwar gerne inspirieren, nehme manche Dinge an und setze sie um, weil sie zu mir passen und mir tatsächlich weiterhelfen. Und andere Dinge lehne ich für mich ab und gehe meinen eigenen Weg.

Inspirationen und Empfehlungen zusätzlich
Videos, Zitate, Webseiten, Bücher

6 Comments

  • Ash-Li

    Ja, “Selbstoptimierung” ist Arbeit. Aber ich habe festgestellt, sie ist – zumindest bei mir – nicht dazu gedacht, mir einen Plan zu erstellen, wie und was ich täglich zu tun habe, um mein nächstes “Ziel” zu erreichen. Das klingt mir zu sehr nach “Kopf” und “Bedingungen”.
    Man bemerkt meist selbst, wann es etwas zu ändern gibt. (Ich schreibe bewusst nicht “verbessern”. Denn wir sind in jedem Moment die beste Ausgabe von uns selbst. 😉 ) Und wenn ich etwas bemerke, dann versuche ich einfach spontan, wenn ich wieder in so einer Situation bin, anders zu handeln. Gelingt natürlich nie auf Anhieb, aber mit der Zeit. Meine einzige Absicht dahinter ist, die Menschen und mich selbst immer liebevoller zu behandeln. Wohl wissend natürlich, dass das auch gute Gefühle und inneres Wachstum zeitigt.
    Ich finde es auch wichtig, dass ich mich nicht verurteile, wenn mein spontaner Änderungsversuch nicht gleich klappt und ich wieder mal in ein “Fettnäpfchen” getreten bin. Man braucht viel Humor dazu. Verbissenheit nützt nichts… 🙂

    • Natalie

      Liebe Ashli
      Vielen Dank für Deine Gedanken dazu!
      Ja, ganz viel Humor ist eine super Hilfe. Über sich selbst lachen zu können und auch nicht alles so bitterernst zu nehmen. Ich stelle mir manchmal, wenn ich wieder im Selbstverurteilungs-Modus bin, vor, dass ich mich selbst wie eine liebe Freundin sehe, der es gerade schlecht geht. Das hilft mir wesentlich liebevoller mit mir umzugehen.
      Alles Liebe

  • Margit Ricarda Rolf

    Liebe Natalie,

    ich möchte dir erzählen von einem Besuch bei einem Freund. Es war mein Freund bzw. der Freund meines Ex-Mannes. Tex. Cowboy. Ranch. Tolles Pferd, das leider verstorben war.

    Karl-Peter und ich fuhren ins Blaue – und landeten auf der Ranch – und Tex war zuhause – jedenfalls körperlich. Wir schnackten – und natürlich sprachen wir auch über Bandit, dieses tolle Pferd mit der Blesse auf der Stirn, seinen Tod und die Zukunft.

    Dann drängte Karl-Peter zum Abschied und im Auto sagte er mir, er lässt ihn nicht gehen. an jenem Tag trennten wir uns früh, weil Karl-Peter allein sein wollte.

    Was er da genau gemacht hat, lasse ich jetzt mal weg, weil es zu viele Ex-Zeugen gibt, die Angst vor Dämonen haben. Ich verkürze es. Karl-Peter schnitt die Aka-Schnur durch zwischen Tex und Bandit. (Das ist eine Technik, die die Kahunas auf Hawwai anwenden.)
    Eine Woche später rief ich Tex an. Ich kam kaum zu Wort. Er wollte nach Andalusien und sich einen Araber kaufen. Getan hat er es nicht. Aber darum geht es nicht. Es geht nur um Energie.

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft für deine Trauer, genug Muße für dich, Zuversicht für den nächsten Schritt und Geduld. Du hast alle Zeit der Welt. Alles geschieht zur richtigen Zeit.
    Bei dir bin ich mir da ganz sicher.

  • Andrea Koch

    Hallo liebe Nathalie
    Endlich hab ich mal in Deinen Blog geschnuppert.Ich kenne Dich nur von youtube her.Ich bin echt ein Fan von Dir und mag Dich so gern,weil Du so natürlich bist und so einen schönen Weg gehst.Gerade zu diesem Artikel hier muss ich jetzt meinen Senf geben.Dieser Selbstoptimierungswahn geht mir auch immer mehr auf den Zeiger.Ich hab mir so viel davon reingeknallt,daß ich das Gefühl hatte,alle zerren an mir herum.Es wird Zeit,daß man wieder „arschnormal „wird und und „Mensch“ist,wie Du es sagst.Das ist alles ein Hype geworden,als würde man alles Schwache und Unpässliche auslöschen wollen.Die Trauer um Deinen Hund kann ich sehr gut verstehen und es ist absolut natürlich und richtig und menschlich und normal,da zu trauern.Und hör mir bloß auf mit den Zj.Da könnt ich richtig in Fahrt kommen aber nicht jetzt und hier.Ich selbst kenne auch einige Zustände,die ich kaum aushalte.Mir ist es jetzt wieder wichtig,meine Phasen auszuleben,wie sie sind ohne ständig daran rum zu doctorn,mich wahr zu nehmen und ernst zu nehmen,Verständnis für mich zu haben und zu meinem Innenleben,mich zu lieben (und auch mal zu hassen),zu trauern,mich unmöglich zu finden und mehr im Sein zu sein.Das,was man jetzt alles ausraddieren will,ist menschlich.Stark und schwach sein,beides ist menschlich.Glücklich und unglücklich sein auch usw.Vielleicht schreib ich auch mal etwas über solche Themen.Ich habe die letzten 3 Tage in meinem Bett verbracht und alles zugelassen,was kam,viel geheult und viel geschrieben .Das tat total gut und war sooo befreiend und wenn ich Ulle auf mich hab ,dann hab ich sie eben.Ich möchte mich verstehen und Verständnis für mich haben,mein Sein in Schutz nehmen,mich aber trotzdem reflektieren und ändern aber auf natürliche Weise und weil Ich es will und nicht der Optimierungshype.Einen an der Klatsche haben die doch😃👍Ich scheiße auch immer mehr auf die Selbstoptimierung.Die geht irgendwie am Mensch sein vorbei…..Man kann viel von den älteren Menschen lernen oder sehen,wie es ist,ein Mensch zu sein,der sein Menschsein einfach natürlich lebt.Das ist doch alles voll künstlich geworden .Die Welt ist bekloppt in der Richtung,der totale Hype oder?Ich bin ja auch anfällig für all sowas aber ich liebe auch sehr das Natürliche ,Urige und Einfache.Da könnte man jetzt noch viel sagen..Ich glaube sogar,daß alles,was in uns wohnt ,seinen rechtmäßigen Platz hat und sich sogar gegenseitig befruchtet..Wir sind halt,wie wir sind und sollten auch so leben.Der Schmetterling kommt auch nicht eher raus aus seinem Kokon als vor Tausend Jahren .Die Welt befindet sich irgendwie in so einer Art“Hyppres-modus“So,jetzt geh ich noch eine rauchen 🚬😃.Gute Nacht,Du Sonnenschein.Du bist ein wunderbarer Mensch,eben weil Du zu deiner Menschlichkeit stehst.Ganz liebe Grüße,Andrea Koch.Ich wohne in Eisenach,im schönen Thüringen🙋🏼‍♀️

    • Natalie

      Liebe Andrea
      Vielen Dank für Deine Nachricht, Deine sehr persönlichen Erfahrungen und Deine lieben Worte. Ja, es stimmt, alles “hat seinen rechtmässigen Platz”. Ich glaube auch, dass Menschen wie Du, die das zulassen und akzeptieren können, egal wie schmerzlich und hässlich einem das manchmal selbst erscheint, die glücklicheren Menschen sind. Einfach, weil nichts unterdrückt werden muss, nach Aussen immer schon toll, annehmbar und perfekt erscheinen muss. Und man darf dann auch mal fluchen und sich unkorrekt verhalten und es ist okay. 🙂 Ganz viele liebe Grüsse nach Thüringen

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