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Gedanken

Harmonie ist der wahre Grund für Trennung!

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Wie ich schon in meinem Artikel «Raus aus der Rosa Wolke – rein in den Konflikt» schrieb: Wir brauchen nicht Harmonie sondern Konflikte, um uns wirklich nahe zu kommen. Das hört sich im ersten Moment alles andere als schlüssig an. Konflikte, Auseinandersetzungen, Streit….all das trennt uns doch voneinander. Das sieht man doch jetzt in der Corona-Krise ganz deutlich. All die verschiedenen Meinungen prallen aufeinander und es entstehen regelrechte Kriege. Oder nicht?

Harmonie Sucht Trennung Nataliesdiary Natalie Barth
Foto von Anastasia Shuraeva von Pexels

In den Kreisen, in denen ich mich in den letzten 2 Jahren oft aufhielt, wurde immer wieder die «Liebe» betont. Dass wir Verständnis füreinander haben sollten. Dass wir uns gegenseitig stärken und füreinander da sein sollten. Es wurde von so einigen, besonders spirituell angehauchten Menschen und solchen, die sich sehr viel mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigen, Wert darauf gelegt, dass wir keine «negative Energie» ausstrahlen und uns von Menschen eher distanzieren, die diese «negative Energie» pflegen. Die Botschaft: Ich solle mich NUR noch mit Menschen umgeben, die ähnlich denken wie ich und die mich so auf meinem Weg voranbringen. Ich solle ausserdem jeden negativen Gedanken sofort im Keim ersticken, damit er keine Gestalt annehmen kann.

Warum Harmonie uns trennt

Ich möchte all das nicht negieren oder als kompletten Blödsinn hinstellen. Es ist auf jeden Fall besser fürs eigene Wohlbefinden, wenn ich mit anderen Menschen liebe- und verständnisvoll umgehe und Personen, die mich permanent niederreissen eher aus dem Weg gehe, als ständig Kontakt zu pflegen. Wenn ich ausserdem jemanden in meinem Freundes- oder Familienkreis habe, der mir meinen Weg und meinen Erfolg immer wieder mit seiner negativen Sichtweise madig macht, dann scheint auch das keine gesunde förderliche Umgebung für mich zu sein.

Wenn das allerdings zum Lebensmotto wird und jeglicher Konflikt, jegliche vermeintliche «Negativität» eine Bedrohung darstellen, der ich aus dem Weg gehen muss, dann habe ich etwas Grundlegendes in unserer menschlichen Psyche und im sozialen Umgang miteinander nicht verstanden. 

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Foto von Mykola Khomenko von Pexels

Gerade dann, wenn andere Menschen NICHT meiner Meinung sind und gerade dann, wenn ich mal eine andere Perspektive als nur meine rosarote oder meine schwarzgefärbte Weltsicht präsentiert bekomme, kann ich wachsen und mich entwickeln. Und nicht nur das, auch meine Beziehungen zu anderen können dadurch auf eine Weise vertieft werden, die mit ständiger Harmonie nicht möglich ist. Das «aneinander reiben» ist das, was uns wirklich wachsen lässt.

Wie ehrlich und authentisch ist denn Harmonie?

Was passiert, wenn wir uns gegenseitig immer nur schön «Honig ums Maul schmieren», immer mit Liebe und Verständnis reagieren? Wie ehrlich und authentisch sind wir dann? 

Nicht jeden die streiten sind zu fürchten Zitat Marie von ebner Eschenbach nataliesdiary

Kann der andere Mensch dann eigentlich wachsen, sich verändern, etwas lernen, wenn ich immer schön freundliche Konversation pflegen und verständnisvoll auf jeden noch so grossen Scheiss reagiere? 

Und wenn wir uns in Freundschaften einfach ohne Auseinandersetzung zurückziehen – sogar ohne ein Wort darüber zu verlieren – weil uns der andere «zu negativ» ist oder nicht mehr die gleiche Weltsicht teilt – wem soll das helfen?

Meine Meinung ist: Es hilft weder mir noch dem anderen.

Ich selbst kann weder menschlich noch wissensmässig wachsen, weil ich ja nur noch von meinesgleichen umgeben bin, die in die gleiche Richtung ticken.

Und der Freund kann ebenfalls nicht wachsen, weil ich ihn gar nicht an meinen Gedanken und vor allem Gefühlen teilhaben lasse. 

Es scheint gerade in dieser Zeit ganz extrem in die Richtung zu gehen: «Wenn Du meine Meinung und Weltsicht nicht teilst, dann verzichte ich auf Deine Gesellschaft. Denn Du behinderst mich in meinem Leben.» Sobald der kleinste Gegenwind kommt, wenden wir uns von Menschen, die mal wirklich nahe Freunde waren, ab. 

“Du teilst meine Weltsicht nicht? Dann verzichte ich auf Dich!”

Wann es Sinn macht, sich zurückzuziehen

Manchmal und zeitweise kann es auch gut sein, sich eine Weile zurückzuziehen. Dann wenn uns das permanente Geplapper stört, weil der andere uns immerwieder von seiner Meinung überzeugen will und wir einfach keine Lust mehr auf sinnlose Diskussionen haben. Mir ging das in den sozialen Medien zum Beispiel so, als ich in meiner Timeline und sogar unter meinen eigenen Posts in einer Tour vollgelabert wurde von Hobbyvirologen und panikschürenden Statements, die mich überzeugen sollten, dass wir alle in einer Diktatur leben, dass wir versklavt werden und dass «die da oben» uns alle verarschen. 

Da ging auch mir irgendwann (und geht mir immernoch) die Hutschnur hoch. Es ist eine Sache, seine Meinung einmal kundzutun. Aber kein Mensch möchte gerne permanent belabert und überzeugt werden. Solche Respektlosigkeiten und Grenzüberschreitungen lass ich mir auch nicht mehr bieten und habe deshalb bereits einige Personen (mit denen ich keine nahe Freundschaft pflege) entfernt, de-abonniert oder sogar blockiert. Ich nehme mir auch das Recht heraus, Kommentare zu löschen, wenn ich bereits darauf hingewiesen habe, dass ich dazu inzwischen genug gehört habe. 

Grenzen setzen versus Egoismus

Dieses Grenzensetzen musste und durfte ich übrigens während dieser Krise ganz besonders lernen. Selbstliebe bedeutet vor allem auch STOP sagen, wo meine Grenzen permanent übertreten werden, erst recht von Menschen, die mir nicht mal nahe stehen.

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Foto von fotografierende von Pexels

Als ich anfing, mich mit «Selbstliebe» zu beschäftigen, verstand ich, dass ich mich bisher viel zu oft selbst übergangen und lieblos behandelt hatte. Dass «Selbstliebe» auch in die andere Richtung ausufern könnte, dass man ZUVIEL Selbstliebe haben könnte, war mir damals allerdings noch nicht klar. Zuviel Selbstliebe heisst, dass ich mich und meinen Weg über alles andere Stelle und keine Rücksicht auf Verluste und sogar den Abbruch von nahen Beziehungen in Kauf nehme, damit ICH nicht behindert werde. Dass ich mir das hole, was ICH will. Im Grunde ist das schon wieder alles andere als echte Selbstliebe, weil ich mir mit der Einstellung auf Dauer selbst am meisten schade.

Wenn man glaubt, etwas “erkannt” zu haben

Den Schaden sehe ich gerade dort, wo das fanatische Verteidigen des eigenen Weltbilds stattfindet. Man glaubt endlich frei zu denken und zu leben, weil man etwas erkannt hat. Und man scheint endlich das Richtige, den Sinn des Lebens, die Aufgabe für sich selbst gefunden zu haben. Man glaubt, aus einem versklavenden System ausgestiegen zu sein, die Matrix verlassen zu haben. Und dann läuft die Recherche und die Anhäufung neuen Wissens nur noch in diese eine Richtung weiter. Keine andere Meinung oder Weltsicht wird mehr zugelassen, weil die «so negativ und destruktiv» oder so «mainstream» ist. 

Mit Verlaub, das dümmste ist es, zu glauben, man habe irgendwann irgendwas WIRKLICH erkannt oder die Wahrheit gefunden.

Denn genau diese Einstellung hält einen davon ab, wirklich zu wissen. Ich weiss, der Satz klingt so abgedroschen, aber er könnte nicht zutreffender sein: «Je mehr ich weiss, umso mehr weiss ich, dass ich nichts weiss.» (Albert Einstein). Oder wie Isaac Newton sagte «Was wir wissen ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ist ein Ozean»

Das kann man gerne zeitlos auf alles anwenden, was es in unserem Leben gibt. 

Zu wissen, dass ich nichts weiss, macht mich weiser als zu glauben wissend zu sein.

Warum Harmonie uns trennt

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Foto von Pixabay von Pexels

Nochmal zurück zur Harmonie und zur Trennung: Wenn ich bereit bin, mich anderen Meinungen, anderen Weltsichten, anderen Perspektiven zu stellen, dann habe ich nicht nur die besten Chancen selbst zu wachsen, sondern auch eine wirklich tiefe Verbindung zu einem anderen Menschen einzugehen. 

Warum? In einem Konflikt kochen Gefühle oft hoch. Tiefe Wunden werden berührt. Eventuell fallen Worte, die wirklich weh tun. Wut und Trauer kommen an die Oberfläche und suchen nach Ausdruck. Vielleicht denken wir auch innerlich «Du blödes Arschloch». All das ist ein riesengrosses Geschenk.

In dieser Scheinwelt, in dieser harmonie- und perfektionssüchtigen Welt werden viel zu selten wahre Gefühle geteilt.

Zu unseren wahren Gefühlen gehört auch, dass wir traurig, wütend, angstvoll und aggressiv sind. 

Einen Menschen wirklich an sich ranzulassen, bedeutet, dass mir der andere sagen kann, was er denkt und ich NICHT einig gehen muss. Auch, dass ich etwas sagen kann, aber der ANDERE nicht mit mir einig gehen muss. 

Seelenverwandte und die perfekte Harmonie

Wir suchen leider immer nach Menschen, die so sind wie wir. Nach «Seelenverwandten», mit denen wir uns auf allen Ebenen blind verstehen. Das halte ich inzwischen für die grösste aller Schwachsinnigkeiten. Die tiefe Beziehung entsteht nicht, wenn der andere genau wie ich ticke. Sondern wenn er anders tickt, andere Meinungen vertritt, bis zu einem gewissen Grad auch anders lebt und wir uns gegenseitig trotzdem annehmen und lieben können.

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Foto von Jonathan Borba von Pexels

Denn dann ist es auch möglich, sich aneinander zu reiben und sich gegenseitig zum Wachsen zu bringen. Dann ist es möglich die eigenen wunden Punkte zu erkennen und endlich auflösen zu können oder nicht mehr so darunter leiden zu müssen. 

Wie schön, wenn jemand an unserer Seite ist, der uns nicht weiter unsere eigenen blinden Flecken pflegen lässt, sondern hilft, sie endlich zu bemerken.

Eine Freundschaft / eine Beziehung, in der ich auch meine dunkle Seite zeigen kann und der andere dann nicht gleich davonspringt, ist das wertvollste, was es gibt.

In dem Sinne: Lasst uns anfangen eine Streit- und Konfliktkultur zu entwickeln. Ja, lasst uns Freundschaften und Beziehungen nicht aufgrund von unterschiedlichen Lebensauffassungen aufgeben. Und lasst uns aufhören, nach Seelenverwandten, die perfekt zu uns passen, Ausschau zu halten. Vielleicht gibt es die, aber sind sie wirklich förderlich? Das wage ich zu bezweifeln.

Zum Weiterlesen:

Angst vor Konflikten: Warum sie die Beziehung gefährdet und wie Sie sie überwinden

Was die Konfliktscheu im geschäftlichen Leben anrichten kann: Konfliktscheu: Ursache vieler betrieblicher und zwischenmenschlicher Probleme

«Wer aussitzt, statt sich auseinanderzusetzen, nährt Konflikte eher, als dass er sie vermeidet.» Fünf Übungen für mehr Mut zum Streiten

Zitat Was wir wissen ist ein Tropfen Sir Isaac Newton Nataliesdiary
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4 Comments

  • Ash-Li

    Ich kenne diese Kreise auch, liebe Nathalie! Die werden alle, die diesen Weg gehen, auch kennenlernen. Weil sie ebenfalls ein Schritt im weiteren spirituellen Wachstum sind. Mehr sind sie auch nicht. Sie sind etwas, wo man sich darüber hinaus ent-wickeln sollte. Man erkennt dann nämlich genau das, was Du da oben auch schreibst: Genau das, was diese Kreise so ablehnen: Das Negative in sich. Und es ist wichtig, will ebenso anerkannt werden.
    Ich kann und will Dir hier nur zustimmen.
    In meiner Partnerschaft – und die dauert nun schon 19 Jahre -, die von sehr viel Harmonie getragen wird, weil wir uns in allem sehr gleichen, gibt es kaum Streit. Auch schön und wichtig, in Zeiten wie diesen. Auf diese Weise kann man die Kälte der Welt in diesen Zeiten gut ausgleichen, was zum Wohlbefinden sehr beiträgt. 🙂

    • Natalie

      Ja, liebe Ash-Li, genau das ist es: Das Negative ist eben auch in uns. Und will anerkannt werden. Ich finde es sehr schön, dass Deine Partnerschaft gerade in dieser Zeit so viel Kraft gibt. Das ist unendlich wertvoll. Vielen lieben Dank für Deine Gedanken, die Du hier teilst. Von Herzen, Natalie

  • Vanessa

    “Klar, selbstbewusst, mutig und sehr sehr tiefgründig!”, so würde ich diesen Artikel beschreiben.
    Er umfasst gleich in mehrfacher Weise schwierige Themenfelder, die aber doch scheinbar irgendwie verknüpfbar sind, das hast du klasse hinbekommen, Natalie!

    In dem einen Bereich was Corona und die Einstellung dazu betrifft, habe ich diesen schwierigen Weg unterschiedlicher Meinungen direkt durchlaufen.

    Nicht bei irgendwem, sondern bei meiner Freundin, DIESER meiner Freundin, die ALLE meinen Schmerz und meinen Kampf sowie auch meine Höhenfluge und meine Freude der letzten Jahre beinahe täglich miterlebt hat. Und umgedreht. Diese Freundin, die mich geistig innerlich bereits als eine Art Wiederkunft ihrer verstorbenen erstgeborenen Tochter “adoptierte”. (klingt theatralisch, ist es aber nicht. Es soll nur betonen, wie nah wir uns sind und sehr wir uns einander gefühlsmäßig vertrauen!).

    “Zufällig” ist sie auch meine Chefin. Auch nicht weitläufig, sondern nur sie und ich. Also zu dem “sehen möchten” kommt noch das “sehen müssen” hinzu und da sie mich bezahlt auch eine gewisse Autorität, Arbeitnehmerin-Respekt und eine Art Loyalität und Abhängigkeit dazu.

    Es hat mich an meine Grenzen geführt (hin und her pendeln zwischen Diskussion und Aufklärung, Aushalten oder Weglaufen oder aber Grenzen setzen und dadurch ggfs kurzzeitige Aussaat von Disharmonie hinzunehmen, was wiederum auch Aushalten auf einer anderen Ebene bedeutet).

    Es war nicht einfach, es gab Überreaktionen, Wut und auch Tränchen, aber sie haben einen Weg geebnet, einen ehrlichen Weg.
    Und dieser ist gegenseitig resekt- wie rücksichts- und liebevoll.

    Ich habe Glück und bin dankbar dafür! ?

    Liebe Natalie, danke für die Bereicherung uns an deinen Gedanken teilhaben zu lassen! Es ist ein Genuss

    • Natalie

      Liebe Vanessa
      Von Herzen Danke für Deine lieben Worte. Ja, ich kenne das, “es hat mich an meine Grenzen geführt”. So ging es mir in den letzten Monaten auch. Dieser ehrliche Weg, etwas rauszulassen und auch mal unbequem zu sein, tut trotzdem unendlich gut. Ich danke Dir sehr, Deine Kommentare bewegen mich immer ziemlich. Alles Liebe

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